Unter den Angeboten zum Tag der Wissenschaften und Kulturen, am Dienstag 30.06.2015, befand sich für besonders neugierige Geschichtsfanatiker in diesem Jahr die sehr interessante Möglichkeit, sich mehr mit dem Schicksal politisch-aufständiger und verfolgter Menschen aus der DDR zu beschäftigen. 15 Schülerinnen und Schülern aus der Jahrgangsstufe 9 war die Möglichkeit gegeben, an einem Zeitzeugen-Workshop in der Potsdamer Gedenkstätte Lindenstraße – einem ehemaligen Gefägnis des deutschen Kaiserreiches und später des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi) – teilzunehmen. Heute steht die Gedenkstätte für die Geschichte politischer Verfolgung und Gewalt in den unterschiedlichen Diktaturen des 20. Jahrhunderts.
Zu Beginn des Tages wurden wir erst noch einmal durch eine interne Gesprächsrunde und Führung durch die Gedenkstätte in das Thema „Die Stasi und ihre Handlungen und Ziele“ eingewiesen. Uns wurde eingehend erklärt, wen man damals für gefährlich oder politisch-untreu erklärte und wie man jene Menschen aufsuchte und später verhörte und demütigte. Für nahezu alle Fragen fand die Historikerin und Museumsführerin eine Antwort. Uns wurde gezeigt, wo die einleitende Leibvisite der Inhaftierten vollzogen wurde und erzählt, dass diese eher weniger zum Schutz des Gefängisses als viel mehr zur Demütigung der Haftanwärter geschah. Demütigung und seelische Verwirung – das waren auch die wesentlichen Ziele des Ministeriums für Staatssicherheit bei ihren – oft systemkritischen oder staatsuntreuen – Gefangenen. Man wollte tatsächlich ihre Persönlichkeit vernichten. Man wollte sie nicht töten und körperlich verletzen, sondern sie nur soweit demütigen, dass sie ihr eigentliches Ich komplett vergessen haben.
Im Anschluss an die Einführung in das Thema wurden die SuS in 4 Gruppen eingeteilt. Jede dieser Gruppen bekam einen Zeitzeugen zugeteilt. Nun konnten sich die Gruppenmitglieder anhand von Steckbriefen über das Leben ihrer Interviewpartner informieren und die ersten Fragen vorbereiten. Schnell bemerkten die meisten SuS, dass die richtigen Fragen sich wohl erst im Gespräch herauskristallisieren werden können.
Im Anschluss führten alle Gruppen selbstständig ein sechzigminütiges Interview mit ihren Zeitzeugen, in welchem sie keine Frage scheuten. An dieser Stelle sei zu sagen, dass die für uns erzählenden Zeitzeugen solche Workshops regelmäßig durchführen und allen SuS ein sehr großes Vertrauen entgegen brachten. An dieser Stelle sei noch einmal vielen Dank gesagt und ein riesiger Respekt gezollt an den Mut und die Kraft, sehr vertrauliche und persönliche Informationen mit uns zu teilen. Für uns SuS war es wirklich eine einzigartige Möglichkeit solche Erfahrungen und Informationen von einer Primärquelle auf diesem Wege erhalten zu können!
Die Zeitzeugen berichteten von ihren ersten Lebensjahren in der DDR, ihren Gründen von der Stasi verfolgt zu werden, den Ereignissen während ihrer Haft sowie dem Leben nach dem Stasi-Gefägnis und der DDR. Dabei kamen viele hochinteressante Dialoge zum Vorschein und wir können sagen, dass die eine Stunde Interview definitiv nicht ausgereicht hat. Vom Sport als roten Faden zum Überleben, einer missglückten Flucht über Ungarn oder Familiendramen und Verrat gab es vieles zu hören und sicher noch weitaus mehr zu erzählen. Es gab auch einen Zeitzeugen, der sein Leben wie einen Pfannkuchen komplett gewendet hat – vom politischen Häftling zum freien, selbstständigen Weltreisenden der mit Knotenkunst sein Geld verdient und genau das macht was er will und lebt.
Wir erfuhren eine Menge neuer Dinge über die Stasi, die DDR sowie deren Umstände und haben auf jeden Fall ein großes Pensum an Lebenserfahrung gewinnen können. Uns ist deutlich klar geworden, welches Glück wir mit unserer heutigen Staatsform und dem Lebensstandard in Deutschland haben und dass die Umstände aus der DDR nie wieder so vorhanden sein sollten – auch wenn man dies nicht komplett ausschließen kann.