Besonders heutzutage, wo Verwirrung herrscht, Unsicherheit darüber, ob der Faschismus nun an die Tür klopft oder nicht, wo Vergleiche gezogen werden, die unglücklicher nicht sein können, um den politischen Gegner besonders hässlich aussehen zu lassen, wo Begriffe vermischt und missbraucht werden – ist es umso nötiger, junge Menschen direkt mit dem Unfassbaren zu konfrontieren. Während der Fachbereich Geschichte sowohl die letzten Zeitzeugen des Holcaust zu Wort kommen lässt (wir haben darüber berichtet), eine Gruppe der Jahrgangsstufe 12 an den schlimmsten Ort des NS-Verbrechens (Auschwitz) gefahren ist, gab es nun für eine Gruppe aus 11ter und 12ter Klasse Einsichten in Bezug auf die Planung des größten industriellen Massenmords der Menschheitsgeschichte.
Im Rahmen eines Workshops wurde nun Aufklärung darüber verschafft, worin der inhaltliche und strategische Unterschied zwischen „Wannsee“ und „Potsdam“ besteht – dass das eine ein sozialdarwinistisch determierter Plan zur Vernichtung der Juden Europas war, der, im Wissen, dass weite Teile der Bevölkerung diesen niemals mittragen würden, so geheim und verklausuiert gehalten wurde wie möglich. Während in Potsdam über Remigration schwadroniert wurde – im Kern nationalistisch und wenig empathisch – ist das „Correctiv-Geheimtreffen“ „Lichtjahre“ von „Wannsee“ entfernt. Dieser Unterschied muss klar sein, will man den Holocaust nicht relativieren, verharmlosen, nur um mit der Formel „Wehret den Anfängen“ politische Punkte zu sammeln. Die Theorie über die Singularität des NS-Verbrechens, macht Champagner-Gläser mit Hakenkreuz genauso obsolet wie Hitler-Vergleiche. Das Lernen aus der Geschichte hat wenig Selbstzweck, es hat immer mit uns und der Gegenwart zu tun.
Kay Wünsche